Low Stress Stockmanship (LSS) auf Gut Temmen
Für uns sind Tierwohl und Nachhaltigkeit unabdingbar verknüpft mit dem stressarmen Umgang mit unseren Rindern. Mehrjährige Erfahrungen haben uns verdeutlicht, dass es unsere Bereitschaft braucht, die Verhaltensweisen der Tiere besser verstehen zu lernen und sie in unserer Arbeit zu verinnerlichen. Das heißt, bereit zu sein für neue Blickwinkel sowie uns auf eine den Tieren wesenseigene Kommunikation einzulassen, um ihnen dann ganz klar und verständlich zu sagen, was wir von ihnen möchten.
Genau diese Grundphilosophie findet sich im Low Stress Stockmanship (LSS) wieder, welches von dem Amerikaner Bud Williams entwickelt und gelehrt wurde. Durch genaues Beobachten von Rinderherden lernte dieser die natürlichen Bewegungsmuster, Verhalten und Reaktionen der Tiere tiefgründig verstehen und leitete daraus die Methode des „Stressfreien Umgangs mit Herdentieren“ ab. Ein achtsames, ethisches Arbeiten, das auf das Wohl der Tiere ausgerichtet ist. Im LSS wird weder laut gerufen, gepfiffen oder um die Tiere herumgerannt, sondern ruhig und bedacht in der ihnen verständlichen (Bewegungs-)Sprache kommuniziert. Bei alledem wird sich die Lernfähigkeit der Rinder zu Nutze gemacht und diese gewürdigt.
Wie arbeiten wir mit Low Stress Stockmanship?
Auf unserem Standort Stegelitz wird LSS seit 2017 angewendet. In der praktischen Arbeit mit unseren Rindern haben wir die Umsetzung mit anfänglicher professioneller Unterstützung durch Philipp Wenz (www.stockmanship.de) kontinuierlich verfeinern können und dabei erkannt, dass es um viel mehr als nur Technik geht. Der Umfang der Stressreduktion hängt ab von unserer menschlichen Anpassungsbereitschaft an die natürlichen Grundbedürfnisse und Gewohnheiten der Rinder. Nur aus diesem auf Kooperation basierenden Verständnis zwischen Mensch und Nutztier heraus kann sich ein partnerschaftliches Vertrauen entwickeln und Stress tiefgreifend verringert werden. Uns die Zeit zu nehmen, wirklich interessiert darauf zu achten, wie die Tiere sich untereinander verhalten, welche Bewegungsmuster und Zeichen sie in bestimmten Situationen als Reaktionen im gegenseitigen Herdenverbund zeigen, ist Fundament in unserer Arbeit.
Im täglichen Weidealltag, in dem Umstellphasen integriert sind, achten wir darauf, dass unsere Tiere ihren natürlichen Fress- und Ruhephasen nachkommen können. Das bedeutet auch, dass wir bestimmte Produktionsabläufe den Bedürfnissen der Tiere unterordnen.
Diese Art und Weise mit den Tieren zu arbeiten bedeutet auch für uns weniger Stress und gleichzeitig mehr Freude. So zählt zu den besonders schönen Erfahrungen, wenn eine relativ große Herde von Mutterkühen mit ihren Kälbern von nur ein bis zwei Mitarbeiter/Innen ruhig und zufrieden über mehrere Flächen sowie eine Straße getrieben werden kann, die gesamte Herde stressfrei auf einer durch mob grazing entstandenen futterreichen Weide ankommt und sich die Kälber dort ruhig ablegen während die Mutterkühe entspannt zu grasen beginnen.
Beim LSS geht es also eben auch darum, den Tieren die ihnen notwendige Zeit zu geben und zuzulassen, denn dann tun die Tiere von selbst und ohne Angst was wir von ihnen möchten. Uns an der benötigten Zeit der Tiere zu orientieren, ihnen diese zu gewähren, zahlt sich im Gesamtprozess stets wieder aus, denn routinierte Arbeitsabläufe sowie trainierte Tiere erleichtern letztendlich die Arbeit und machen diese sogar einfacher und produktiver. Unsere eigenen Erfahrungen zeigen, dass sich das Wohlergehen unserer Rinder generell verbessert und dass LSS zu einem sichereren Umgang mit den Tieren sowie zu Unfall-und Risikoverringerung beiträgt. Wir sehen eine größere Ausgeglichenheit in der Herdenstruktur, also viele entspannte, liegende Kühe auf der Weide und gleichzeitig können wir gute Tageszunahmen verzeichnen.
Alles in allem verstehen wir Low Stress Stockmanship als ein Gesamtpaket, welches auf einer ganzheitlichen Betrachtung von achtsamer Nutztierhaltung beruht. Es ist die Grundlage, die uns die Umsetzung unseres Weidesystems ermöglicht. Wir planen welche Fläche zu welchem Zeitpunkt von welcher Herde beweidet werden soll und sind dabei kaum von äußeren Gegebenheiten limitiert. Auch wenn verschiedene Weideflächen weit voneinander entfernt sind und die Rinder manchmal eine Strecke von mehreren Kilometern zurücklegen müssen, können wir diese gut erreichen. Dass die Tiere somit zur richtigen Zeit auf klar bestimmten Weideflächen ankommen, hilft gleichzeitig Boden und Pflanzenbestand zu unterstützen.
Und noch eine Tür konnten wir auf Grundlage unserer Low Stress Stockmanship -Arbeit öffnen. Seit Mai 2023 führen wir in Stegelitz den Weideschuss durch. Weder Fangstand, Sortieren, Wiegen noch das Treiben in das dafür errichtete Areal erzeugen bei unseren Rindern Unruhe oder Panik. Gleichzeitig entfällt für sie auch jeglicher Stress bezüglich Transport und Schlachthof. Der Kreislauf von Geburt, Leben und Sterben wird somit im gewohnten Umfeld mit Achtsamkeit, Würde und Dank geschlossen.
Alles in allem wertschätzen wir die von uns schrittweise entwickelte Verknüpfung von Low Stress Stockmanship, mob grazing und Weideschuss als solides Fundament zur Stressreduktion unserer Rinder, welche als Gesamtkonzept natürlich auch zu einer verbesserten Fleischqualität beiträgt.